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Bild: © Ralph - stock.adobe.com

Faszinierende Vielfalt

Über 80 Prozent der bekannten 45 000 Tier- und Pflanzenarten der Schweiz kommen in Gewässern und direkt anliegenden Gewässerräumen vor - ein wahrer Hotspot der Artenvielfalt und für uns Menschen unendlich wertvoll: Biodiversität inspiriert, schütz, ernährt und macht glücklich. Doch bei allem was die Natur uns gibt, braucht sie auch unsere Hilfe. Nur noch fünf Prozent des Schweizer Gewässernetzes gilt als intakt. Die Schweiz hat  weltweit die vierthöchste Zahl an ausgestorbenen Fischarten und viele Arten gelten als bedroht. 

Im Folgenden berichten wir über die Fazination der Artenvielfalt in und entlang unserer Gewässer. Ausserdem erfahren Sie, wie es um die Biodiversität in unseren Gewässern steht, warum wir sie schützen und fördern sollten und was Aqua Viva dafür tut.  

Aqua Viva kämpft seit über 60 Jahren für den Erhalt der letzten intakten Gewässerlebensräume und ihrer Artenvielfalt.  Bitte unterstützen Sie unser Engagement mit einer Spende. 


«Einmal gepackt, lässt uns die Fazination der Gewässerlebewesen nicht mehr los. Selbst hinter kleinsten Arten wie der Wasserspinne stecken unglaubliche Geschichten.»

Salome Steiner, Geschäftsleiterin Aqua Viva

Artenportraits

Hinter dem sperringen Begriff Biodiversität verbergen sich unzählbar viele Geschichten, wie sie spannender kaum sein könnten. Wir erzählen einige davon in unseren Artenporträts: 

    Wir sollten die Biodiversität schützen, ...

    Es gibt viele gute Gründe, warum Menschen Biodiversität wertschätzen. Oft stehen Leistungen im Vordergrund, die eine intakte Biodiversität der Gesellschaft liefert bspw. in Form von stabilen Umweltbedingungen, Rohstoffen oder Nahrung. Biodiversität macht aber auch glücklich und hat einen Wert jenseits aller menschlichen Bedürfnisse. Bei Entscheidungen zur Nutzung der Natur sollten wir alle diese Gründe berücksichtigen.

    von Eva Spehn

    … weil sie da ist

    In der Umweltethik wird allen Tieren, Pflanzen und sonstigen Mitlebewesen ein «Wert an sich» eingeräumt unabhängig von uns Menschen. Wir sollten demnach aus der Perspektive der Moral zunächst einmal alles wertschätzen – und nicht umgekehrt, zunächst die Wertlosigkeit der Mitwelt annehmen und erst dann nach Gründen für den Wert bestimmter Naturdinge suchen (Gorke 2010). Häufig wird der Selbstwert der Natur als Verpflichtung zu einem respektvollen Umgang mit der Mitwelt verstanden. Allerdings werden hier verschiedentlich Unterscheidungen getroffen: Geht es um den Selbstwert der Existenz alles Existierenden, von Ökosystemen, von allem Lebendigen oder «nur» aller schmerzempfindlichen Wesen (Potthast 2021)?

    … weil sie die Welt gerechter macht

    Die Erhaltung und Förderung der biologischen Vielfalt ist von zentraler Bedeutung für die Erreichung der Ziele der UNO-Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung. Biodiversität ist mit Herausforderungen wie Armutsbekämpfung, Ernährungssicherheit, Klimawandel und Wirtschaftsentwicklung eng verknüpft (Obrecht et al. 2021). Um diese anzugehen, braucht es die Zusammenarbeit zwischen Zivilgesellschaft, Wissenschaft, Politik und Wirtschaft sowie einen transformativen Wandel in allen Gesellschaftsbereichen (Messerli 2019) – wir müssen den Wohlstand neu erfinden (Payne & Messerli 2021)!

    … weil es unsere Pflicht ist

    Der Schutz der Biodiversität ist im nationalen und internationalen Recht verpflichtend verankert. Das schweizerische Recht fokussiert aber stark auf isolierte Gebiete statt auf eine grossräumige Vernetzung intakter aquatischer und terrestrischer Lebensräume und noch zu wenig auf problematische Ursachen des Biodiversitätsverlustes (z.B. Versiegelung der Böden, Intensivlandwirtschaft mit Pestiziden, Wasserkraftnutzung, Klimawandel). Erschwerend treten teilweise gravierende Vollzugsmängel hinzu. Aus diesen Gründen besteht auch in politischer und rechtlicher Hinsicht dringender Handlungsbedarf (Bütler & Weber 2021).

    … weil sie der Motor der Evolution ist

    Zukunftsfähig sind Pflanzen, Tiere und andere Organismen, wenn sie sich evolutiv anpassen können beispielsweise an den Klimawandel. Voraussetzung dafür ist genetische Vielfalt. Ein Beispiel: Der richtige Zeitpunkt zu Blühen ist für Pflanzen überlebenswichtig. Das Merkmal steht unter starkem selektiven Anpassungsdruck und ist genetisch variabel. Forscher:innen konnten nachweisen, dass sich der Blühzeitpunkt von Populationen einer einjährigen Pflanzenart schon nach einem einzigen mehrjährigen Trockenheitsereignis um mehrere Tage verschob und die Art so zukünftigen Trockenheitsereignissen ausweichen kann (Franks et al. 2007). Die Verkleinerung von Populationen, ihre Fragmentierung und Isolierung verringeren die genetische Vielfalt und erhöhen das Aussterberisiko einer Art. Durch langjährige einseitige Züchtung sind auch Kultursorten genetisch oft verarmt. Die genetische Vielfalt ihrer Ursprungsarten oder von alten Landrassen ist deshalb als Quelle für Resistenzgene gegen neue Krankheiten oder andere wichtige Eigenschaften unabdingbar (Stöcklin 2021).

    … weil sie unser Sicherheitsnetz ist

    Jede Anlegerin und jeder Investor weiss: Eine breite Diversifikation federt das Risiko ab, plötzlich mit leeren Händen dazustehen. Das gleiche gilt auch für die Natur: Eine hohe Artenvielfalt ist die beste Versicherung, damit uns die Leistungen der Ökosysteme auch in Zukunft in ausreichender Qualität zur Verfügung stehen. Im Unterschied zu den Geldanlagen geht es bei der Artenvielfalt aber nicht um eine mehr oder weniger hohe Rendite, sondern um das Überleben des Menschen. So speichern Bäume in naturnahen Wäldern mit mehreren Baumarten mehr Kohlenstoff und sind widerstandsfähiger gegenüber Schädlingen, Krankheitserregern und Dürren als Bäume in artenarmen Wäldern. Da unsere Sommer mit dem Klimawandel trockener und länger werden, ist eine hohe Biodiversität eine gute Versicherung für die Waldwirtschaft (Ratcliffe et al. 2017). Viele Kulturpflanzen sind vollständig auf die Bestäubung durch Insekten angewiesen. Eine hohe Vielfalt an Bestäubern fördert Stabilität und Qualität der Bestäubung und die Produktivität von Kulturen (IPBES 2016; Fischer 2021).

    … weil sie unsere Teller füllt

    Für einen Teller gefüllt mit gesund und nachhaltig produzierter Nahrung ist die Biodiversität unerlässlich. Weltweit werden nicht nur zehntausende von Arten als Lebensmittel genutzt; eine höhere Diversität in der landwirtschaftlichen Produktion fördert auch eine Reihe von Ökosystemleistungen. Artenreiche Fruchtfolgen oder Mischkulturen wirken sich positiv auf die Bodenqualität, die Kohlenstoffspeicherung und das Bodenleben aus (Bowles et al. 2016). Ein gesunder Boden wiederum hat eine gute Bodenstruktur und kann mehr Wasser aufnehmen und speichern als ein monoton bewirtschafteter Boden (Gaudin et al. 2015). Das vielfältige Bodenleben recycelt Pflanzennährstoffe im Boden effizienter, trägt zu einer verbesserten Pflanzenernährung und Gesundheit bei und kann somit die Abhängigkeit von Pestiziden und chemischen Düngemitteln reduzieren (Bender et al. 2016). Biodiversität auf und neben der Ackerfläche bietet Lebensraum für Nützlinge, die auf natürliche Weise die Verbreitung von Krankheiten und Schädlingen reduzieren (Tschumi et al. 2015). Die Förderung solch natürlicher Prozesse und Kreisläufe macht die Landwirtschaft von globalen Märkten und Handelsschwankungen unabhängiger, erhöht ihre Nachhaltigkeit und kann die Erntestabilität insgesamt erhöhen (Renard & Tilman 2019; Bender & Heiden 2021).

    … weil sie uns gesund hält

    Biodiversität spielt in vielerlei Hinsicht eine entscheidende Rolle für unsere Gesundheit und unser Wohlbefinden. Sie besitzt ein grosses präventives und therapeutisches Potenzial, das noch weitgehend unbekannt und ungenutzt ist. Biodiversität hat einen direkten Einfluss auf die Gesundheit, durch die Bereitstellung von Arzneimitteln, gesunden Nahrungsmitteln, sauberer Luft und reinem Wasser, Regulierung des städtischen Mikroklimas oder Abbau von Schadstoffen. Aber auch der Kontakt mit Natur ist gesundheitsfördernd: Die Sterblichkeit, vor allem durch Herz- Kreislauf-Erkrankungen (van den Berg et al. 2015; Gascon et al. 2016) sinkt, und die kognitive Alterung wird verlangsamt (Cherrie et al. 2018). Stress, Müdigkeit, Angst und Depression werden verringert, was zur psychischen Gesundheit und zum Wohlbefinden beiträgt (Gascon et al. 2015). Die Aufmerksamkeit wird verbessert (Faber Taylor und Kuo 2009), das Geburtsgewicht erhöht (Markevych et al. 2014), die Fettleibigkeitsrate gesenkt (Lachowycz & Jones 2011) und die Entwicklung von Kindern positiv beeinflusst (WHO 2016; Martinoli 2021).

    … weil sie rentiert

    Die Natur bringt uns unschätzbare Leistungen. Manche davon kann man sogar in Geldwerten ausdrücken (TEEB 2018). Diese bewegen sich in der Grössenordnung des doppelten Bruttoinlandproduktes der Schweiz (Costanza et al. 2014). Es lohnt sich also durchaus auch ökonomisch, Biodiversität und Ökosystemleistungen zu schützen. Weil die meisten Ökosystemleistungen öffentliche Güter sind, werden sie nicht auf Märkten gehandelt, sondern ganz selbstverständlich gratis genutzt. Dies ist einer der Gründe, warum natürliche Ressourcen übernutzt werden. Die Monetarisierung der Natur ist zwar umstritten, aber kann dennoch helfen, falsche Anreize beim Umgang mit unserem Naturkapital zu beseitigen, indem wir auch ihren ökonomischen Wert stärker in politischen Entscheidungsprozessen berücksichtigen.  

    … weil Gott inmitten der Biodiversität zuhause sein will

    Natur ist für viele Menschen auch eine wichtige spirituelle Inspirationsquelle. In den Mythen der Menschheit, zum Beispiel in der Bibel, ist die Erschaffung des Menschen aber auch von Pflanzen und Tieren ein wichtiger Erzählstrang. Der südafrikanische Theologe Ernst Conradie entwirft eine ökologische Anthropologie von der Erde als das Haus Gottes, das der Entfremdung des Menschen von seiner Umwelt gegensteuert (Conradie 2005). Das Bild von «unserem gemeinsamen Haus» ist auch zentral in der Umweltenzyklika Laudatio Si von Papst Franziskus (Franziskus 2015), in der er schreibt: «Da alle Geschöpfe miteinander verbunden sind, muss jedes mit Liebe und Bewunderung gewürdigt werden, und alle sind wir aufeinander angewiesen».

    … weil sie glücklich macht

    Die Liebe zur Natur, die Begeisterung für bestimmte Arten und die Verbundenheit mit vertrauten Landschaften sind für viele Menschen wichtige Beweggründe, sich für den Schutz der Biodiversität einzusetzen. Menschen können in der zwecklosen Begegnung mit Natur Sinn und Bedeutung erfahren (Gebhard 2015). Die emotionale Bindung an bestimmte Arten oder Landschaften, das Erleben von Schönheit und Erhabenheit und die Kontemplation sind für die Biodiversitätskommunikation von wesentlicher Bedeutung (Eser 2016). Die Fähigkeit zur Naturverbundenheit, „in Verbundenheit mit Tieren, Pflanzen und der ganzen Natur zu leben und pfleglich mit ihnen umzugehen », ist eine menschliche Grundfähigkeit (Nussbaum 1999) und eine unserer wichtigsten Quellen von Lebensglück (Eser 2021).

    «Jedes der genannten Argumente ist ausreichend, um die Erhaltung der Biodiversität einzufordern. Alle zusammen sind ein gewaltiger Weckruf.»

    Eva Spehn, Forum Biodiversität Schweiz (SCNAT)

    DRAMATISCHE VERLUSTE AUF ALLEN EBENEN 

    Biodiversität ist die Vielfalt des Lebens auf all seinen Ebenen: Die Vielfalt der Ökosysteme (Lebensräume), der Arten (Tiere, Pflanzen, Pilze, Mikroorganismen) und der genetischen Vielfalt, also der Variabilität und Unterschiedlichkeit der Individuen einer Art. Die Biodiversität in der Schweiz ist heute in einem alarmierend schlechten Zustand. Besonders betroffen sind Gewässer und Feuchtgebiete. Hier fällt der Verlust an Biodiversität besonders dramatisch aus.

    Zum Stand der Biodiversitätskrise und wie wir damit umgehen

    Leider steht es sehr schlecht um die Biodiversität, besonders in und entlang von Süsswasserlebensräumen. Wussten Sie, dass seit 1970 die überwachten Süsswasserpopulationen weltweit um 83 Prozent zurückgegangen sind. Trotz der Dramatik dieser Zahlen könnte man jedoch meinen, das Artensterben sei lediglich eine Randnotiz unserer Zeit. In vielen für die Biodiversität entscheidenden Politikbereichen kommt das Thema kaum vor bspw. in der Raumplanung, dem Verkehrs- und Transportwesen oder der Energie- und Wirtschaftspolitik. Stattdessen fördert die Politik noch das Artensterben durch über 160 Subeventionen, die der Biodiversität schaden.

    Vom jahrzehntelangen Rückgang zur Erholung?

    Können wir das Artensterben stoppen?

    Seit 1970 sind die überwachten Süsswasser-Populationen weltweit um 83 Prozent zurückgegangen. Um den Biodiversitätsverlust zu stoppen, müssen wir dringend neue Wege gehen. 

    Im Schatten des politischen Fokus

    Biodiversität als Nischenthema?

    Biodiversität betrifft viele Aspekte von Politik wie Energieproduktion oder Pestzide. Dementsprechend sollte das Thema auch in diesen Politikbereichen präsent sein. In der Schweiz ist dies jedoch kaum der Fall. 

    Biodiversitätsschädigende Subventionen

    Auf einem Auge blind?

    In der Schweiz gibt es über 160 biodiversitätsschädigende Subventionen. Die finaziellen Fehlanreize im Bereich Landwirtschaft und Wasserkraft schaden auch der Artenvielfalt am und im Gewässer. 

    Hinschauen, darüber sprechen, handeln

    Das Ausmass und die Dramatik des globalen und schweizweiten Artensterbens in den Süsswasserlebensräumen sind mittlerweile bekannt. Trotzdem wird zu wenig darüber gesprochen und noch seltener entschieden gehandelt. Die Politik muss aufwachen und reagieren. Nur so können wir die letzten intakten Gewässerlebensräume der Schweiz erhalten und den zahlreichen bedrohten Tieren und Pflanzen eine Zukunftsperspektive bieten.

    Aqua Viva fordert:

    Schutz der letzten unverbauten Gewässer

    Gewässerlebensräume haben in der Vergangenheit stark gelitten. Heute gibt es in der Schweiz nur noch Reste einer ehemals intakten Natur. Wir müssen diese konsequent schützen und dafür sorgen, dass sie als ökologische Infrastruktur wieder einen signifikanten Anteil der Landesfläche ausmachen.

    Gewässerlebensräume gelten als die am stärksten bedrohten Lebensräume der Schweiz. Moore haben zwischen 1900 und 2010 82 Prozent ihrer Fläche eingebüsst. Bei den Auen sind es seit 1850 sogar über 90 Prozent. 100 Prozent der Stillgewässer-Lebensraumtypen stehen auf der Roten Liste und bei den Fliessgewässern gelten lediglich noch rund fünf Prozent als mehr oder weniger intakt. Das ist zu wenig und hat zu einem dramatischen Artensterben in und entlang unserer Gewässer geführt. Die Schweiz kann es sich nicht länger leisten, intakte Gewässerlebensräume an die Stromproduktion, die Landwirtschaft oder die Siedlungsentwicklung zu verlieren.

    Umsetzung des Gewässerschutzgesetzes

    Die Vorgaben des Gewässerschutzgesetzes, insbesondere zur Revitalisierung beeinträchtigter Gewässer, zur Gewässerraumausscheidung, zur Sanierung der Wasserkraft und der Restwassermengen, sind wichtige Bausteine zum Erhalt der Biodiversität – wir müssen sie endlich konsequent umsetzen.

    Die Schweiz verfügt seit 1992 über ein ambitioniertes Gewässerschutzgesetz. Doch rund 30 Jahre nach dessen Inkrafttreten fällt die Bilanz ernüchternd aus: Die Umsetzung verzögert sich auf allen Ebenen. Trotzdem gibt es von Seiten der Politik immer wieder Versuche, die gesetzlichen Vorgaben rückgängig zu machen, statt die Umsetzung konsequent zu beschleunigen. Wenn wir beispielsweise nicht mehr Dampf bei der Gewässerrevitalisierung machen, dauert es noch rund 225 Jahre, um das anvisierte Ziel von 4000 Kilometern revitalisierte Fliessgewässerstrecke zu erreichen. Bis dahin dürfte es für Fische, Amphibien und Wasserpflanzen längst zu spät sein.

    Abschaffung biodiversitätsschädigender Subventionen

    In Zeiten einer globalen Biodiversitätskrise ist es inakzeptabel, dass mit Steuergeldern Lebensräume zerstört und damit das Artensterben befeuert wird. Der Bund muss seine Subventionen konsequent auf biodiversitätsschädigende Wirkungen prüfen und sie gegebenenfalls abschaffen.

    Der Bund finanziert mit Steuergeldern Massnahmen, um den fortschreitenden Biodiversitätsverlust aufzuhalten. Gleichzeitig finanziert er – ebenfalls mit Steuergeldern – weitere Massnahmen, die zusätzlich zur beabsichtigten Wirkung auch schädigende Wirkung auf die Biodiversität haben. Der Bericht Biodiversitätsschädigende Subventionen in der Schweiz von WSL und SCNAT hat über 160 Subventionen und Anreize mit biodiversitätsschädigender Wirkung identifiziert. Einige betreffen direkt oder indirekt auch unsere Gewässer und deren Artenvielfalt. Hierzu zählen vor allem staatliche Mittel zur Unterstützung der Kleinwasserkraft sowie eine Reihe von Agrarsubventionen.

    Stärkere Gewichtung ökologischer Belange

    Bei Entscheidungen über die Nutzung unserer Gewässer spielen ökologische Anliegen häufig eine untergeordnete Rolle. Das Thema Biodiversität muss jedoch dieselbe Gewichtung erfahren wie die Interessen der Wasserkraftnutzung, der Landwirtschaft und weiterer Nutzungsformen.

    Eine Studie der Eawag und der WSL zeigt, dass das Thema Biodiversität in vielen Politikfeldern kaum vorkommt, beispielsweise bei der Raumplanung, dem Verkehrs- und Transportwesen sowie der Energie- und Wirtschaftspolitik. Geradein diesen Politikfeldern werden jedoch für die Biodiversität folgenreiche Entscheidungen getroffen. Doch nicht nur in der Bundespolitik auch bei zahlreichen Entscheidungen vor Ort finden sich Blinde Flecken in puncto Biodiversität. Besonders wenn Landbedarf eine Rolle spielt oder Massnahmen sich auf die Wasserkraftnutzung auswirken, werden Massnahmen häufig zurückgestellt, obwohl sie ein hohes ökologisches Potential aufweisen.

    Bekenntnis zu den Biotopen von nationaler Bedeutung

    In den Biotopen von nationaler Bedeutung leben 1060 der rund 3800 bedrohten Tier- und Pflanzenarten der Schweiz. Leider befinden sie sich in schlechtem Zustand.

    Statt die gesetzlichen Grundlagen in Frage zu stellen, müssen Bund und Kantone endlich Sorge tragen für die letzten Rückzugsflächen der Biodiversität. 1987 hat das Schweizer Parlament die gesetzlichen Grundlagen für die Biotope von nationaler Bedeutung geschaffen (Art. 18a NHG). Der Bundesrat hat seitdem rund 7100 solcher Biotopobjekte definiert, welche insgesamt knapp 2,3 Prozent der Landesfläche ausmachen. Die Umsetzung liegt seitdem bei den Kantonen. Sie sind unter anderem dafür zuständig, die Flächen zu pflegen oder ökologisch zu sanieren. Leider sind 35 Jahre nach dem Parlamentsbeschluss für nur acht Prozent der Biotopobjekte diese Aufgaben vollständig umgesetzt. Doch statt für eine konsequente Umsetzung zu sorgen, diskutiert das Parlament über den Bau von Energieanlagen in Biotopen von nationaler Bedeutung.

    Festsetzung neuer Schutzgebiete

    Trotz des besorgniserregenden Zustands der Schweizer Schutzgebiete gibt es immer neue Pläne für die Wasserkraftnutzung in und entlang bislang unberührter Gewässer.

    Wenn wir es ernst meinen mit dem Schutz der Biodiversität, müssen wir für jedes Kraftwerk auch ein neues Schutzgebiet ausweisen. Der Runde Tisch Wasserkraft hat sich 2021 unter der Leitung von Bundesrätin a.D. Simonetta Sommaruga und Beteiligung ihres Nachfolgers Albert Rösti auf den Neu- und Ausbau von 15 Wasserkraftwerken zur Erhöhung der Winterstromproduktion geeinigt. Im Gegenzug sollen auch Massnahmen zum Erhalt der Biodiversität ergriffen werden. Während die Wasserkraftprojekte nun politisch als gegeben gehandelt werden oder gar als Dringliche Massnahme im Energiegesetz stehen (Grimsel), ist über die Massnahmen zum Biodiversitätsschutz noch nichts bekannt. Vielmehr ist im November 2022 bekannt geworden, dass es neben diesen 15 bereits eine Liste mit 17 weiteren Kraftwerksprojekten gibt (Beobachter 2022).

    Unser Engagement für die Biodiversität

    Aqua Viva engagiert sich für Lachs, Fischotter und Co. Wir sorgen für den Rückbau nicht mehr benötigter Schwellen und Wehre und setzen uns ein für die Fischgängigkeit von Wasserkraftwerken, so dass Fische wieder frei wandern können. Und damit bedrohte und in der Schweiz ausgestorbene Arten wie Lachs und Fischotter wieder ausreichend Lebensraum finden, unterstützen wir Gemeinden und Kantone bei der Revitalisierung ihrer Bäche und Flüsse und kämpfen für ausreichend grosse Gewässerraume.

    Aqua Viva ist an Gewässern in der ganzen Schweiz für mehr Artenvielfalt unterwegs: 

    Zum Weiterlesen

    Faszinierende Vielfalt
    Zeitschrift aqua viva 4/2022

    Hinter dem Begriff Biodiversität verbirgt sich eine faszinierende Vielfalt  spannendester Geschichten zu Wasserspinne, Bachneunauge und Co. In aqua viva 4/2022 erzählen wir einige davon. Ausserdem berichten wir über die enorme Bedeutung und Bedrohung der Artenvielfalt am und im Gewässer.

    Zustand unbefriedigend

    Das BAFU berichtet über den Zustand der biologischen Vielfalt in der Schweiz und zeigt die wichtigsten Trends. Fazit: Die Biodiversität in der Schweiz ist in einem unbefriedigenden Zustand ist

    → BAFU (2017): Biodiversität in der Schweiz: Zustand und Entwicklung.

    5 % intakte Flüsse und Bäche

    Der WWF hat untersucht, wie gesund die Schweizer Flüsse und Bäche sind. Leider mit traurigem Ergebnis: Nur weniger als 5 % sind noch intakt und als «äusserst wertvoll» zu bezeichnen. 

    → WWF (2016): Wie gesund sind unsere Gewässer? Zustand und Schutzwürdigkeit der Schweizer Fliessgewässer.

    Was wir tun können

    Das Forum Biodiversität zeigt, dass die Schweiz noch grosse Potentiale hat, dem Biodiversitätsverlust entgegenzuwirken und die Leistungen der Natur zu bewahren. 

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    Salome Steiner

    Salome Steiner

    Geschäftsleiterin

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